Eine Website zu Projekten aus dem Unterricht und außerunterrichtlichen Bereich von |
Ulrich Fischer-Weissberger Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch |
Leserbrief von mir zu den Nazipropagandabildern Januar 2005 Zur Diskussion um die Nazipropagandabilder im Waldkircher Rathaus Keine "entartete Kunst", sondern unmenschliche "Kunst" Es freut mich, dass auch das Kunstforum in Bezug auf die Nazipropagandabilder im Waldkircher Rathaus für eine Veränderung ist und dass hier Handlungsbedarf besteht. In weiten Teilen teilen wir vom Geschichtsprojekt am Geschwister-Scholl-Gymnasium die Meinung der Mitglieder des Kunstforums. In einem zentralen Punkt sehen wir diese Propandabilder für einen Vernichtungskrieg anders. In einem Artikel in der BZ vom 18.1. steht Folgendes: "Das Kunstforum schließt sich der Meinung derer an, die in den Bildern ein Mahnmal an die schlimme Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und des von ihr angezettelten Krieges sehen." Diese Auffassung teilen wir nicht. In diesen Bildern werden der Nazivernichtungskrieg in Osteuropa und die Naziideologie verherrlicht, deshalb können sie in unseren Augen nicht mahnen, diese Bilder vertuschen die Realität und übertünchen die Nazibarbarei. In diesen Bildern spiegelt sich die Verarbeitung des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit. Sie sind ein sehr gut geeignetes Dokument dafür, wie bei uns die Bewältigung der NS-Vergangenheit ablief. Deshalb sehen wir ihren Platz in einem Museum. In unseren Augen verschandeln sie das Treppenhaus unseres Rathauses, da sie unsere demokratischen Grundwerte verspotten. Im Laufe der Diskussion um die Nazipropagandabilder im Waldkircher Rathaus fällt immer wieder der Satz, man dürfe diese Bilder nicht abnehmen, sie seien authentische Kunst. Mit diesem Verhalten würde man die NS-Vergangenheit negieren oder gar tilgen. Die Vorwürfe gipfeln manchmal leider in der Unterstellung, dass unser Verhalten mit der Bilderstürmerei der Nazis vergleichbar sei. Dies ist ein Irrtum. Wir wollen aufklären, wir haben den Prozess der Aufklärung über diese Bilder wieder in Gang gesetzt. Was mit ihnen schließlich geschieht, ist Sache des Gemeinderats. Das obige Denken fußt auf einem Kunstbegriff, der die Unmenschlichkeit und Ungeheuerlichkeit dieser Bilder nicht erfasst. Historisch war dieser Kunstbegriff berechtigt. Mit der Renaissance setzte sich das neue Selbstverständnis vom Künstler als individuellem Schöpfer von Kunstwerken durch. Die Kunst befreite sich immer mehr von den Zwängen der feudalen Gesellschaft. Die Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts entledigte Kunst und Wissenschaft vom Ballast der feudalen Herrschermoral und Herrscherwillkür. Die Kunst sollte frei sein von "moralischer Gängelung", die moralische Verpflichtung gegenüber dem Mitmenschen wurde damals berechtigterweise als Beschneidung der Freiheit des Künstlers angesehen. Pervertiert wurde diese Auffassung dann im 20. Jahrhundert durch die Nationalsozialisten, die Kunst dazu benutzten, um ihre Verbrechen, wie zum Beispiel in den Propagandagemälden im Rathaus ge-schehen, zu kaschieren und zu verherrlichen. Deshalb atmen die Propagandabilder im Waldkircher Rathaus den Geist der nationalsozialistischen Ideologie. Ein Gedicht nach Auschwitz zu schreiben, sei nicht mehr möglich, so sinngemäß Theodor W. Adorno. Danach dürfen wir Kunst nicht mehr ohne ihre ideengeschichtliche Dimension betrachten, denn Kunst ist nicht mehr das, was sie vor der Nazibarbarei scheinbar war. Wir sind verpflichtet beim Betrachten der Naziwandbilder deren mörderische Botschaft in den Vordergrund zu stellen und die Opfer der Nazis vor deren Anmaßung zu schützen. "Moral als Preis der Moderne", so nennt der Philosoph und Theologe Otfried Höffe eines seiner wich-tigen Bücher. Er richtet den Appell an uns, in einer Gesellschaft, die die Freiheit der Kunst garantiert, deren moralische Verpflichtung einzufordern. Wenn man die Bilder in dem derzeitigen Zustand belässt, auch wenn man sie damit entlarven will , verletzen sie weiterhin die Würde von Menschen. Sie verletzen die Würde derer, die von den Nazis ermordet, verfolgt und entrechtet wurden und großes Leid erfahren mussten. Die Verbrechen der Nazis haften an jedem Farbtupfer und jedem Pinselstrich dieser unmenschlichen "Kunst". Ulrich Fischer-Weissberger, 18.1.2005 Leiter des Geschichtsprojekts am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch
|