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Badische Zeitung vom Mittwoch, 17. November 2004 |
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Ein Wehrmachtsoffizier zeigt den richtigen Mut |
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Der 88-jährige Heinz Droßel aus Simonswald ist für die
Rettung einer jüdischen Familie im März 1945 mit der
Raoul-Wallenberg-Medaille ausgezeichnet worden |
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SIMONSWALD. Als erster Deutscher hat Heinz Droßel aus Simonswald die Raoul-Wallenberg-Medaille erhalten. Sie wird von der Raoul-Wallenberg-Stiftung verliehen, die für Toleranz und Menschlichkeit eintritt und Widerstand gegen Antisemitismus würdigt. Mit der Verleihung wurde - fast 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs - der Mut Heinz Droßels honoriert: Im März 1945 verhalf er, damals Wehrmachtsoffizier, ohne Zögern und ohne Rücksicht aufs eigene Risiko einer jüdischen Familie zur Flucht, die sich in einer Laubenkolonie bei Berlin verborgen gehalten hatte. Ihr Versteck war verraten worden. Droßel händigte in höchster Not - die Gestapo war schon auf dem Weg zur Verhaftung - der Familie den Schlüssel zu seiner Berliner Wohnung aus, wo die vierköpfige Familie das Ende des "Dritten Reichs" überlebte.
Fast 45 Jahre sprach niemand über diese mutige Handlung. Zum einen weil, wie Droßel sagt, in den Jahrzehnten nach Kriegsende in Deutschland erst einmal "das große Schweigen" über Krieg und NS-Diktatur herrschte. Zum anderen hielt er selbst seine Tat für eine Selbstverständlichkeit. Doch in der langsam einsetzenden Aufarbeitung der Vergangenheit kamen auch die "stillen Retter" in den öffentlichen Blick. Günther Fontheim, Physiker in den USA und einer der vier Familienmitglieder, die Droßel wohl ihr Überleben verdanken, sorgte dafür, dass der gebürtige Berliner und heutige Simonswälder zum gefragten Zeitzeugen wurde. Am 4. Mai 2001 wurde Droßel der hohe Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" verliehen. Seither ist sein Name in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel verewigt. Diese Ehrung wurde für ihn selbst zum Schlüsselerlebnis: "Bis dahin hatte auch ich geschwiegen" - seitdem redet und schreibt er über sein Handeln und seine Beweggründe. Es folgten später das Bundesverdienstkreuz und ein Besuch des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau in der Simonswälder Wohnung. Nun also die Raoul-Wallenberg-Medaille. Vor 1000 Zuhörern hielt Droßel bei der Verleihung an der Universität von Ann Arbor (Michigan) eine einstündige Rede. Es gab Ovationen und viele Fragen an den Simonswälder. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Dalai Lama, der jüdische Schriftsteller Elie Wiesel oder die Holländerin Miep Gies, die in Amsterdam Anne Frank und deren Familie vor den Nazis versteckte. Mit dem Namensgeber der Medaille fühlt Droßel sich verbunden: "Vor Raoul Wallenberg und seinem tragischen Schicksal nehme ich ganz tief den Hut ab. Der Mann hat nicht nur sein Leben eingesetzt; man weiß ja nicht, was er noch alles auf sich nehmen musste, weil er andere gerettet hat." Zur Erinnerung: Der schwedische Diplomat Wallenberg riskierte 1944/45 in Budapest alles: Er ließ schwedische "Schutzpässe" ausgeben und rettete so zigtausende ungarische Juden. Die Rote Armee hielt ihn offenbar für einen Spion und verschleppte ihn in die Sowjetunion, wo sich seine Spur verliert. Er ist der wohl bekannteste "Retter" im Zweiten Weltkrieg und wäre heute 92 - vier Jahre älter als Droßel.
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Badische Zeitung vom Mittwoch, 17. November 2004 |
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Hohe Ehrung für Heinz Droßel |
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Als erster Deutscher erhielt er die
Raoul-Wallenberg-Medaille |
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SIMONSWALD. Als erster Deutscher erhielt Heinz Droßel, "Gerechter unter den Völkern" aus Simonswald, in den USA die Raoul-Wallenberg-Medaille. Heinz Droßel, der während des Zweiten Weltkrieges mehreren Juden half, sich vor der Gestapo zu verbergen und auch als Offizier mehrere Menschen vor dem Tode bewahrte, erhielt die Medaille als vierzehnter. Er reiht sich in die Kette von solch bekannten Personen wie des Dalai Lama und des jüdischen Schriftstellers Elie Wiesel, Marcel Marceau und Miep Gies ein. Für Heinz Droßel, der auf Einladung der Raoul-Wallenberg-Stiftung an der Universität von Michigan nach Ann Arbor reiste, waren die Tage der Preisverleihung ein ganz besonderes Erlebnis. Begleitet wurde der 88-Jährige von seiner Tochter Ruth und seiner Biografin, Katharina Stegelmann, Redakteurin beim Spiegel. Nach einem herzlichen Empfang und dem Wiedersehen mit Günter Fontheim, den Droßel 1945 vor dem Tod bewahrte, erwartete den Simonswälder ein abwechslungsreiches Programm, in dem seine Vorlesung im Mittelpunkt stand. Seine einstündige Rede, die er in englischer Sprache vortrug, verfolgten nahezu 1000 Zuhörer mit großem Interesse. Mit stehenden Ovationen bekundete das Publikum die Verbundenheit zu dem stillen Retter, so dass dieser von der Bühne bis ins Foyer über eine halbe Stunde benötigte.
In anschließenden Diskussionen und etlichen Gesprächen, auch mit jungen Studenten, spürte Droßel stets freundschaftliche Atmosphäre. Für Droßel war der Besuch in den USA ein Stück diplomatischer Beitrag zur Festigung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Vor seiner Reise nach Amerika hatte Heinz Droßel in einer Veranstaltung des Ökumenischen Bildungswerks Kollnau über sein Leben berichtet, dessen Details er all die Jahre in Tagebuchnotizen festhielt. Droßel war in Berlin als Sohn eines deutschen Kaufmanns aufgewachsen und kam schon als Jugendlicher in Kontakt mit jüdischen Familien und Gegnern des beginnenden Naziregimes. Die Vision davon, welche Herrschaft die Nazis nach einem möglichen Sieg entfalten würden, trieb ihn an, seine Möglichkeiten zu nutzen, diesen Vorhaben entgegen und "als Mensch zu handeln". |
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