Primo Levi, Ist das ein Mensch?
„... Dieses Jahr ist schnell vergangen: voriges Jahr um diese Zeit war ich ein freier Mensch ...; ich besaß einen Namen und eine Familie, einen hungrigen, ruhelosen Geist und einen gewandten und gesunden Körper. ... Heute ist mir nur so viel von meinem damaligen Leben geblieben, um Hunger und Kälte ertragen zu können; ich bin nicht mehr lebendig genug, mich umzubringen.“ (S.171) So Primo Levi am Ende seiner Gefangenschaft. Dies ist ein Buch, das man nicht einfach so lesen kann. Primo Levi erzählt hier von seinem Überleben in Auschwitz. Voller Selbstzweifel und mit unerbittlichem Blick seziert er die Verhältnisse, in denen er durch Zufall überlebte, unter anderem wurde er als Chemiker „gebraucht“.
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Lagertor in Auschwitz-Birkenau
Transport ins Lager
Leichen im KZ Dachau |
Die
Titelfrage beantwortet er für sich mit Nein. Menschlichkeit war gleichbedeutend
mit dem sicheren Tod; nur solche, die unerbittlich um ihr Überleben
kämpften, hatten, wenn sie Glück hatten, eine geringe Chance.
Es war der tägliche Kampf um Schuhe, die einen vor wund gelaufenen
Füßen schützten, um die etwas nahrhafteren Bestandteile
aus der Wassersuppe – es war ein Kampf immer in Konkurrenz mit dem
Mitgefangenen – gegen Krankheiten und die Willkür der SS und
ihrer Schergen. Der Tod eine Alltäglichkeit, man sah es auf den ersten
Blick, wer zu den Muselmanen, den Todgeweihten, zählte.
Das Vernichtungslager war für ihn kein Ort, an dem man Mensch bleiben konnte. Die Demütigungen durch die Nazibarbarei führten schließlich dazu, dass Primo Levi nicht mehr leben wollte; am 11.4.1977 nahm er sich das Leben. Dieses Buch halte ich für das wichtigste, das zum „Leben“ im KZ, im Vernichtungsterror der Nazis, geschrieben wurde. Es zeigt uns, dass jeder, der diesem Terror ausgeliefert war, als Mensch zu existieren aufhörte, dass der Pesthauch des Lagers jeden befiel und mit einem Kainsmal zeichnete. Die Nazis schafften jegliche Menschlichkeit ab, diese Welt verfiel in eine unsägliche Barbarei, aus der die Überlebenden nie entkommen konnten. Primo Levis Erlebnisse zu lesen, erfordert eine große innere Stärke und wer solch Unmenschliches nicht ertragen kann, sollte damit vorsichtig umgehen.
Uli
Weissberger, 17.8.2003 |